Baumarten

Weiß-Tanne

(Abies alba)

Wer in dieser Zeit durch absterbende (bzw. ausgeräumte) Fichtenforste wandert, aber dazwischen ganz andersartige große, dunkelgrüne Nadelbäume gesehen hat, wird vielleicht den seltenen, alten Weiß-Tannen begegnet sein – die vom Borkenkäfer bisher nicht betroffen sind und den vergangenen Sommer-Dürren noch getrotzt haben. Die Weiß-Tanne erreicht in Sachsen die Nordgrenze ihres natürlichen Areals und war bis weit ins 19. Jahrhundert ein wichtiger Waldbaum ab der oberen Stufe des Hügellandes bis in die hochmontanen Lagen, meist in Buchen-Tannen-Mischwäldern. Im Erzgebirge wurden noch Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche alte, mehrhundertjährige Tannen gefunden [7]. 

Der später als "Tannensterben“ bezeichnete dramatische Rückgang der Weiß-Tanne hatte seine Ursache insbesondere in der veränderten Waldbewirtschaftung mit Kahlschlägen, dazu auch wieder höhere Wildbestände bzw. Verbiss, die die Verjüngung der Weiß-Tanne nahezu unmöglich machten. Außerdem reagierten Weiß-Tannen besonders empfindlich auf die zunehmende Rauchgas-Belastung im Zuge der Industrialisierung. So blieben vielerorts nur noch einzelne Bäume oder kleine Gruppen, meist innerhalb von Fichten- oder Kiefernforsten erhalten [7]. 

Gegenwärtig werden erhebliche Anstrengungen unternommen die Tanne wieder zu fördern, gerade auch im Zuge des ökologischen Umbaus instabiler und zusammenbrechender Fichten-Forste. Dabei gilt die "Sachsen-Tanne“ aber als weniger wuchskräftig. Bei Versuchsanbauten im Tharandter Wald haben sich Weiß-Tannen süd- und südosteuropäischer Herkunft, wie auch solche aus Nordbayern als wesentlich wüchsiger erwiesen. Ein Grund mag die so genannte "Inzuchtdepression“ bei sächsischen Weiß-Tannen sein, da die Rest-Bestände genetisch nicht mehr sehr vielfältig sind [8]. Und die Bestände sind klein – 1995 betrug der Bestand an über 60-jährigen Weiß-Tannen in ganz Sachsen kaum 2000 Exemplare [7]!

Anders als bei Fichten lockert sich die Kronenform der Weiß-Tanne im Alter deutlich auf, bleibt dabei aber oft sehr dicht; eine einzelne Spitze haben die Bäume dann meist auch nicht mehr. Vor allem im höheren Kronenbereich finden sich auch die aufrecht stehenden Zapfen, die sich mit der Reife auflösen und Schuppen wie Flügelsamen entlassen, so dass am Baum nur die Spindeln zurückbleiben. Wer meint, Tannenzapfen aufgesammelt zu haben, hat vermutlich abgefallene Fichten-Zapfen eingesteckt! Die Nadeln sind wesentlich dunkler und breiter als bei der Fichte, deutlich zweizeilig gestellt und stechen nicht. Sind die Nadeln von tief unten nicht mehr klar zu erkennen, bleibt die Borke als wichtiges Unterscheidungsmerkmal: Sie ist in der Jugend silbrig-grau (das vermeintliche "weiß“), im Alter dunkel- bis braun-grau. Anders als die eher rötlich-braune Fichten-Borke. 

Weiß-Tannen können über 60 m (in Deutschland über 50) hoch und 500 Jahre alt werden – im Bayerischen Wald wurden sogar nachweislich über 600 Jahre alte Weiß-Tannen gefunden [2, 3]. Während die Weiß-Tanne im Schatten lange Zeit kaum wächst, kann sich das bei verbesserten Lichtverhältnisse ändern. Dann legt sie rasch zu und kann später sogar Rot-Buchen noch überholen, die sie im hohen Alter deutlich überragt [2, 5]. Gerade solche Alttannen sind auch ökologisch enorm wertvoll, weisen etwa einen artenreichen Moos- und Flechtenbewuchs auf [4] (im Erzgebirge aber kaum noch zu finden). Auch einige seltene Pilzarten sind an (alte/absterbende) Tannen gebunden, wie auch spezialisierte Insekten [1, 6], dazu die auch in Sachsen selten gewordene Tannen-Mistel. 

Neben der Biodiversität soll auch der forstwirtschaftliche Wert nicht vergessen werden: Tannenholz ist technisch mit Fichten-Holz vergleichbar [2]. Während nun also der einstige "Brotbaum“ Fichte ein Stück weit ökonomisch abgeschrieben werden muss, mag die Tanne wieder an Bedeutung gewinnen – und auch in den Wäldern des Erzgebirges wieder den Platz einnehmen, den sie einst hatte.

Quellen:

[1] Blaschke, M. 2004. Die Tanne und ihre Welt der Pilze. – LWF Wissen 45: 78-82.

[2] Bucher, H.U. 1999. Abies alba Miller 1768. – Enzyklopädie der Holzgewächse III-1, 16. Erg.Lfg. 06/99: 1-18.

[3] https://nationalerbe-baeume.de/project/weiss-tanne-bei-bayerisch-eisenstein-im-nationalpark-bayerischer-wald-landkreis-regen-im-regierungsbezirk-niederbayern/ - letzter Zugriff: 22.10.2023

[4] Kaufmann, S., Funck, S.-K., Paintner, F., Asbeck, T. & Hauck, M. 2021. The efficiency of retention measures in continuous-cover forestry for conserving epiphytic cryptogams: A case study on Abies alba. – Forest Ecology and Management 502: 119698

[5] Korpel', Š. 1995. Die Urwälder der Westkarpaten. – Stuttgart u.a.: 310 S.

[6] Müller, J. & Goßner, M. 2004. Tierökologische Bedeutung der Weißtanne. – LWF Wissen 45: 74-77.

[7] Schmidt, P.A. & Klausnitzer, U. 2001. Die Baum- und Straucharten Sachsens – Charakterisierung und Verbreitung als Grundlagen der Generhaltung. – Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Forsten 24: 1-106.

[8] Schreiber, K. 2012. Untersuchung ausgewählter Herkünfte der Weißtanne (Abies alba Mill.) hinsichtlich ihrer Anbaueignung in Sachsen basierend auf einem Herkunftsversuch im Tharandter Wald. – Bachelorarb. TU Dresden: 60 S.

Ergebnisse

Nr. Name Art Gemeinde Gemeindeteil Baumpate

M Mikrohabitat

Bild: www.biolib.de / Thome 1885
Bild: Sebastian Dittrich